10. Bindungsangst und das fehlende Bindungshormon Oxytocin
Oxytocin, oft als das „Bindungshormon“ oder „Kuschelhormon“ bezeichnet, spielt eine entscheidende Rolle in der zwischenmenschlichen Nähe, emotionaler Sicherheit und dem Aufbau von Vertrauen. Doch was passiert, wenn dieses Hormon nicht in ausreichender Menge vorhanden ist? Studien zeigen, dass Menschen mit Bindungsangst häufig eine Dysbalance im Oxytocin-Haushalt aufweisen, was zu Schwierigkeiten in engen Beziehungen führen kann. In diesem Artikel untersuchen wir, wie Oxytocin funktioniert, warum es bei Bindungsängstlichen oft nicht richtig wirkt und welche Möglichkeiten es gibt, den Oxytocin-Spiegel zu regulieren.
1. Was ist Oxytocin und welche Rolle spielt es in Beziehungen?
Oxytocin ist ein Hormon und Neurotransmitter, der im Hypothalamus produziert und über die Hypophyse in den Blutkreislauf freigesetzt wird. Es ist besonders bekannt für seine Rolle in sozialen Bindungen, bei der Geburt, im Stillen und in romantischen sowie freundschaftlichen Beziehungen.
Funktionen von Oxytocin:
Fördert Vertrauen und soziale Nähe
Reduziert Stress und Angst
Erhöht die Empathiefähigkeit
Verstärkt die emotionale Bindung zu Partnern und engen Bezugspersonen
Spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Berührungen und Intimität
Oxytocin wird bei körperlicher Nähe, liebevollen Gesten und intensiven emotionalen Momenten ausgeschüttet. Doch genau diese Situationen stellen für Menschen mit Bindungsangst
oft eine Herausforderung dar.
2. Der Zusammenhang zwischen Bindungsangst und Oxytocin
Bindungsangst entsteht oft durch frühe Bindungserfahrungen, die von Unsicherheit, Zurückweisung oder instabilen Beziehungen geprägt sind. Diese negativen Erfahrungen beeinflussen die Fähigkeit des Körpers, Oxytocin in sozialen Situationen optimal zu nutzen.
Warum ist Oxytocin bei Bindungsängstlichen oft nicht ausreichend vorhanden?
Frühe Kindheitserfahrungen und Oxytocin-Defizite
Menschen, die in ihrer Kindheit unsichere oder ambivalente Bindungserfahrungen gemacht haben, produzieren oft weniger Oxytocin, weil ihr Körper nicht gelernt hat, Sicherheit und Nähe als positiv zu erleben.
Fehlende mütterliche oder väterliche Wärme in der Kindheit kann dazu führen, dass der Körper nicht genügend Oxytocin freisetzt, wenn später emotionale Nähe entsteht.
Angst und Stress hemmen Oxytocin
Chronischer Stress und Ängste – beides häufige Begleiter der Bindungsangst – reduzieren die Freisetzung von Oxytocin.
Das Stresshormon Cortisol wirkt als Gegenspieler zu Oxytocin: Wenn jemand emotional überfordert ist oder eine Beziehung als potenzielle Bedrohung wahrnimmt,
blockiert Cortisol die Oxytocin-Wirkung.
Negative Erfahrungen in romantischen Beziehungen
Wer in der Vergangenheit verletzt oder verlassen wurde, speichert diese Erlebnisse ab. Jedes Mal, wenn eine neue Beziehung entsteht, kann der Körper darauf mit einer verminderten Oxytocin-Freisetzung reagieren, um eine erneute Enttäuschung zu vermeiden.
Bindungsängstliche Menschen sind oft skeptisch gegenüber Nähe, was dazu führt, dass sie unbewusst Situationen meiden, die die Oxytocin-Ausschüttung fördern würden
(z. B. Kuscheln, tiefe Gespräche oder intime Momente).
3. Folgen eines niedrigen Oxytocin-Spiegels bei Bindungsängstlichen
Ein zu niedriger Oxytocin-Spiegel kann erhebliche Auswirkungen auf das emotionale Wohlbefinden und die Beziehungsfähigkeit haben.
Typische Konsequenzen:
Schwierigkeiten, Vertrauen aufzubauen: Bindungsängstliche empfinden andere oft als unzuverlässig oder distanziert, was ihre eigenen Ängste weiter verstärkt.
Emotionale Distanz: Da Oxytocin das Gefühl von Verbundenheit stärkt, kann ein Mangel dazu führen, dass Betroffene sich emotional abgeschottet fühlen.
Geringere Stressbewältigung: Oxytocin hilft, Stress zu regulieren. Ein Mangel daran kann dazu führen, dass belastende Beziehungssituationen noch intensiver wahrgenommen werden.
Probleme mit Intimität: Berührungen und körperliche Nähe können sich für Bindungsängstliche unangenehm oder erdrückend anfühlen,
da die entspannende Wirkung von Oxytocin nicht vollständig einsetzt.
4. Wie kann man den Oxytocin-Spiegel natürlich erhöhen?
Obwohl Bindungsangst tief verwurzelt ist, gibt es Möglichkeiten, den Oxytocin-Spiegel auf natürliche Weise zu fördern und dadurch positive Veränderungen in Beziehungen zu bewirken.
1. Körperliche Nähe langsam zulassen
Auch wenn Bindungsängstliche sich mit Nähe oft schwertun, kann der bewusste Kontakt mit vertrauten Menschen helfen, die Oxytocin-Produktion zu fördern.
Sanfte Berührungen, Umarmungen oder auch Haustiere können helfen, das Hormon freizusetzen.
2. Bewusste soziale Interaktionen fördern
Aktive Zeit mit geliebten Menschen zu verbringen – ohne Ablenkung durch digitale Medien – stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und kurbelt die Oxytocin-Produktion an.
Gemeinsames Lachen oder das Teilen von tiefgründigen Gesprächen können ebenfalls helfen.
3. Stress und Angst reduzieren
Meditation, Atemübungen und Yoga können helfen, den Cortisolspiegel zu senken und die Oxytocin-Produktion zu unterstützen.
Ein regelmäßiges Bewegungstraining hilft dabei, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern.
4. Selbstfürsorge und innere Heilung
Die bewusste Auseinandersetzung mit eigenen Bindungsmustern und deren Ursprüngen kann langfristig dazu beitragen, dass Oxytocin wieder vermehrt ausgeschüttet wird.
Therapeutische Ansätze wie Bindungstherapie oder EMDR können helfen, alte Verletzungen zu heilen und neue, sichere Bindungserfahrungen zu machen.
Fazit
Oxytocin spielt eine entscheidende Rolle für Bindung, Vertrauen und emotionale Nähe. Menschen mit Bindungsangst haben jedoch oft Schwierigkeiten, genug von diesem wichtigen Hormon freizusetzen, da frühere Verletzungen, chronischer Stress und Vermeidungsverhalten die Produktion hemmen. Die gute Nachricht ist: Oxytocin-Mangel ist kein festgelegtes Schicksal. Durch bewusste soziale Interaktionen, Berührungen und Stressbewältigungstechniken kann der Spiegel dieses wichtigen Hormons gesteigert werden – und damit die Fähigkeit, tiefere und erfüllendere Beziehungen zu führen.