17. Selbstsabotage in Beziehungen

Jeder Mensch sehnt sich nach Nähe, Verbindung und Liebe. Doch paradoxerweise handeln viele von uns auf eine Weise, die genau diese Nähe zerstört oder verhindert. Dieses Verhalten wird als Selbstsabotage bezeichnet – ein unbewusstes oder bewusstes Muster, das eine glückliche und stabile Beziehung untergräbt. Doch warum sabotieren wir unser eigenes Glück?
Woher kommt dieses Verhalten, und wie sieht es konkret aus?

Warum sabotieren wir unsere Beziehungen?

Selbstsabotage in Beziehungen ist ein komplexes Phänomen, das tief in unserer Psyche verwurzelt ist. Es gibt verschiedene psychologische Mechanismen, die uns dazu bringen,
eine funktionierende Partnerschaft bewusst oder unbewusst zu untergraben:

1. Negative Glaubenssätze über Liebe und Beziehungen

Viele Menschen tragen unbewusst tiefsitzende Überzeugungen in sich, die sie davon abhalten, eine glückliche Partnerschaft zu führen. Solche Glaubenssätze entstehen oft in der Kindheit oder durch vergangene Beziehungserfahrungen. Beispiele für destruktive Glaubenssätze sind:

  • "Ich bin nicht liebenswert."

  • "Alle Beziehungen enden irgendwann schlecht."

  • "Nähe bedeutet Kontrollverlust."

Wer solche Überzeugungen verinnerlicht hat, wird unbewusst nach Bestätigung für diese Annahmen suchen – und durch sein eigenes Verhalten genau das herbeiführen,
was er oder sie am meisten fürchtet.

2. Angst vor Verletzlichkeit und Kontrolle

Sich einem anderen Menschen wirklich zu öffnen bedeutet, verletzlich zu sein. Wer jedoch schlechte Erfahrungen mit Nähe gemacht hat, empfindet diese Verletzlichkeit als Bedrohung.
Die Folge: Bevor der Partner die Chance hat, uns zu verletzen, verletzen wir ihn – durch Rückzug, emotionale Kälte oder Streits, die aus dem Nichts entstehen.

3. Wiederholung ungesunder Beziehungsmuster

Menschen neigen dazu, Verhaltensweisen aus ihrer Vergangenheit unbewusst zu wiederholen. Wer als Kind gelernt hat, dass Liebe mit Unsicherheit oder Schmerz verbunden ist,
wird in der Erwachsenenwelt genau diese Dynamik suchen – selbst wenn sie destruktiv ist. Diese Wiederholungszwänge sorgen dafür, dass wir uns Partner aussuchen oder Situationen herbeiführen, die unser altes Leid bestätigen.

4. Unbewusste Angst vor Glück

Es klingt paradox, aber manche Menschen haben tief im Inneren Angst davor, glücklich zu sein. Wenn das Leben oder Beziehungen bisher von Konflikten, Stress oder Unsicherheit geprägt waren, kann eine glückliche Beziehung sich "falsch" oder ungewohnt anfühlen. Das Gehirn stuft sie als "unsicher" ein – und der Impuls zur Sabotage setzt ein.

Wie äußert sich Selbstsabotage in Beziehungen?

Selbstsabotage kann viele Gesichter haben. Sie reicht von subtilen Verhaltensweisen bis hin zu offensichtlichen destruktiven Mustern. Hier einige typische Formen:

1. Übermäßige Kritik am Partner

Ein häufiger Sabotage-Mechanismus ist es, den Partner ständig zu kritisieren – oft über belanglose Dinge. Diese Kritik schafft Distanz und sorgt dafür, dass der Partner sich zurückzieht oder die Beziehung in Frage stellt.

2. Streit suchen, wenn es gerade gut läuft

Manche Menschen lösen bewusst oder unbewusst Streit aus, wenn es in der Beziehung harmonisch läuft. Das dient oft dazu, eine emotionale Distanz zu schaffen, weil die Nähe als bedrohlich empfunden wird.

3. Ghosting oder plötzlicher Rückzug

Selbst wenn eine Beziehung gut läuft, kann plötzlich das Bedürfnis aufkommen, sich zurückzuziehen oder den Kontakt abzubrechen. Dies geschieht oft aus Angst vor zu großer Nähe oder um die Kontrolle über die Situation zu behalten.

4. Untreue oder emotionale Affären

Manche Menschen sabotieren eine Beziehung, indem sie sich auf andere Personen einlassen – sei es durch eine Affäre oder durch emotionales Fremdgehen.
Dies geschieht oft, um Intimität in der Hauptbeziehung zu vermeiden oder um sich selbst zu beweisen, dass sie nicht wirklich gebunden sind.

5. Vermeidung von echten Gesprächen über Gefühle

Wer sich selbst sabotiert, spricht oft nicht über seine wahren Ängste oder Unsicherheiten. Stattdessen werden wichtige Themen vermieden oder heruntergespielt – was langfristig zu Missverständnissen und Entfremdung führt.

6. Übertriebene Eifersucht oder Kontrollverhalten

Manche sabotieren ihre Beziehungen, indem sie den Partner kontrollieren oder unbegründete Eifersuchtsdramen erzeugen. Dies kann dazu führen, dass der Partner sich eingeengt fühlt und sich emotional oder physisch entfernt.

Wie kann man Selbstsabotage erkennen und überwinden?

Der erste Schritt ist, sich der eigenen Sabotagemuster bewusst zu werden. Das erfordert Selbstreflexion und Ehrlichkeit mit sich selbst. Hilfreich sind Fragen wie:

  • Habe ich in der Vergangenheit bewusst oder unbewusst Beziehungen sabotiert?

  • Welche wiederkehrenden Muster erkenne ich in meinen Beziehungen?

  • Welche Ängste tauchen auf, wenn ich mich jemandem wirklich öffne?

Strategien zur Überwindung von Selbstsabotage:

  1. Selbstbeobachtung und Tagebuch führen: Ein Tagebuch kann helfen, destruktive Verhaltensmuster aufzudecken und sich bewusst zu machen, wann und warum sie auftreten.

  2. Negative Glaubenssätze hinterfragen: Notiere dir, welche Überzeugungen du über Liebe und Beziehungen hast – und prüfe, ob sie wirklich wahr sind oder ob sie aus alten Erfahrungen stammen.

  3. Offene Kommunikation mit dem Partner: Ehrliche Gespräche über Ängste und Unsicherheiten können helfen, Missverständnisse zu vermeiden und eine tiefere Verbindung aufzubauen.

  4. Therapie oder Coaching: Ein Therapeut oder Coach kann helfen, tief sitzende Ängste und Muster zu erkennen und neue Strategien für gesunde Beziehungen zu entwickeln.

  5. Achtsamkeit und Selbstliebe praktizieren: Wer sich selbst wertschätzt und achtsam mit den eigenen Gefühlen umgeht, neigt weniger dazu, sich selbst zu sabotieren.

Fazit:

Selbstsabotage in Beziehungen ist ein weit verbreitetes, oft unbewusstes Muster. Sie entspringt tief verwurzelten Ängsten, negativen Glaubenssätzen und ungesunden Beziehungserfahrungen aus der Vergangenheit. Doch mit Selbstreflexion, bewusster Veränderung und offener Kommunikation ist es möglich, diese Muster zu durchbrechen und erfüllende Beziehungen zu führen. Der Schlüssel liegt darin, sich selbst ehrlich zu hinterfragen – und den Mut zu haben, echte Nähe zuzulassen.

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